Theorie im darstellenden Spiel Auseinandersetzung mit Sachtexten Bei der Umsetzung literarischer Vorlagen, aber auch bei anderen Projekten, kann eine intensive Auseinandersetzung mit Sachtexten sinnvoller Gegenstand des Unterrichts im Darstellenden Spiel sein. Dies wird bisher in der Regel aufgrund des ästhetischen Schwerpunkts vernachlässigt, ist im Rahmen eines Kompetenzkurses dagegen eine notwendige, sinnvolle und für die Schülerinnen und Schüler auch einsehbare Bereicherung der Arbeit. Die -auch schriftliche- Auseinandersetzung mit Sachtexten ist Voraussetzung für die Anrechnung als Kompetenzkurs. Je nach Projekt können literaturwissenschaftliche, kunsttheoretische, historische, gesellschaftswissenschaftliche, philosophische, psychologische, kommunikationswissenschaftliche und journalistische Sachtexte u. a. von Bedeutung sein. Schriftliche Aufgaben Grundkurse Darstellendes Spiel/ Kompetenz Deutsch unterscheiden sich von den "normalen" Grundkursen Darstellendes Spiel vor allem in der besonderen Schwerpunktsetzung auf die schriftliche Ausdrucksfähigkeit. Hier gibt es zahlreiche, projektabhängige Möglichkeiten. In Kursen, die als Kompetenzkurse angerechnet werden, müssen schriftliche Aufgaben projektbezogen in vielfältiger Weise Bestandteil der Kursarbeit sein. In allen schriftlichen Aufgaben ist auch auf sprachliche Korrektheit zu achten. Kreative Schreibaufgaben Ein besonderes Gewicht liegt im Darstellenden Spiel in der laufenden Kursarbeit auf kreativen Schreibaufgaben. Dazu seien aus Hans Neumanns Zusammenfassung anlässlich des "Schultheaters der Länder 1988" einige Möglichkeiten aufgeführt: • Überwiegend in der Phase der Themenfindung: - fünf Sätze über mich selbst - womit ich nicht zurechtkomme, worüber ich mich immer wieder aufrege - so bin ich, so möchte ich sein, so möchte ich gesehen werden - Nachruf auf mich selbst - Formulierung eines Wahlspruchs für mein Familienwappen - ein Gespräch aus den letzten Wochen, an das ich mich genau erinnere - Clustering zum Thema oder zu einem Schlüsselbegriff des Projekts • Überwiegend in der Phase des Sammelns und Recherchierens: - ich war Augenzeuge von... - was kein Augenzeuge mitbekommen konnte - ich klage die Figur XY an - ich verteidige die Figur XY • Überwiegend in der Phase der Arbeit an der Rolle: - fünf Sätze über "mich" - Tagebucheintrag oder Brief meiner Figur vor oder nach einer Entscheidung - "mein" Verhalten zwischen zwei Sätzen als Ich-Erzählung - ein Angst- oder Glückstraum des "Ich" - "mein" Subtext in einer zentralen Szene • Überwiegend in der Phase der dramaturgischen Arbeit: - probeweise verschiedene Handlungs- oder Problemlösungen entwerfen: für eine Tragödie, für einen Kitschroman u. a. - wie ich den Raum sehe, in dem "meine" Szene spielt - episch kommentierende Sätze zu einer fixierten oder zu einer noch nicht entwickelten Szene ... • Für Phasen des ,,Durchhängens", des Eingefahrenseins: - Schreiben bei oder nach (fremdartiger, anregender) Musik - Schreiben zu (surrealistischen, befremdenden, phantasieanregenden) Bildern - Schreiben wie im Traum: rasch, unkontrolliert, brüchig, bildhaft Schreibaufgaben 1. Schreiben einer Rollenbiographie zu einer vorliegenden oder selbst entwickelten Rolle Jede, jeder beantwortet zunächst für sich W-Fragen, die sich auf seine Rolle beziehen (Wer bin ich in dieser Rolle? Wann lebe ich in dieser Rolle? Wovon lebe ich? Woher komme ich? Wie geht es mir? Was beschäftigt mich? Was hasse ich? Was mag ich? Wie stehe ich zu den anderen Rollen? Warum bin ich in der Situation? Was tu ich hier? Wo bin ich? Wohin will ich?). Dann tun sich immer zwei zusammen, interviewen sich gegenseitig, klären ab. Nach Klärung wird die Rollenbiographie aufgeschrieben und laufend aktualisiert. 2. Schreiben einer Rede, eines Briefes aus der Perspektive der Rolle Der Brief sollte so formuliert werden, dass er zu einem festgelegten Zeitpunkt der Handlung an einen Adressaten aus dem Stück gerichtet werden kann. Bei der Rede sollte entweder ein Zeitpunkt in der Handlung gesucht werden, • an dem der Sprecher hätte reden sollen, um besser verstanden zu werden; • oder in einer Situation, die nicht im Stück dargestellt ist. 3. Schreiben eines Subtextes Die Spieler(innen) erfinden einen den eigenen Sprechtext begleitenden Text, der die Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, Absichten etc. artikuliert, die den inneren Gehalt bzw. den Bewusstseinsprozess hinter dem Rollentext bilden und bei der Darstellung mitgedacht werden müssen, um die Darstellung für die Zuschauer glaubwürdig zu machen. Der Subtext wird schriftlich fixiert. Das Verfahren sollte nicht auf den gesamten Rollentext angewendet werden, sondern gezielt an Stellen genutzt werden, an denen deutlich wird, dass der Spieler, die Spielerin offensichtlich noch nicht weiß, was in der Rolle in dieser Situation vorgeht (als Klausur nicht geeignet). 4. Schreiben eines Regiekonzeptes Eine solche Aufgabe setzt voraus, dass wesentliche Bausteine des Stückes und unterschiedliche Möglichkeiten zur Gestaltung des Stückes den Schülerinnen, Schülern bekannt sind. 5. Schreiben eines Bühnenbild-Konzeptes Hier sollten Skizzen in Hinblick auf die Eignung für das Gesamtkonzept ausführlich schriftlich erläutert und begründet werden. 6. Vorschläge zur Dramatisierung einer nicht-dramatischen Vorlage • Hier geht es um die schriftliche Entwicklung eines Konzeptes für den dramatischen Zugriff auf einen epischen Text. • Eine weitere Möglichkeit kann z. B. die Adaption eines Romankapitels zu einer dramatischen Szene sein, indem die Schülerinnen und Schüler aus der epischen Vorlage einen Rollentext entwickeln. 7. Schreiben einer Szene • Von der Improvisation zur geschriebenen Szene Das Schreiben einer Szene sollte möglichst von durchgeführten Improvisationen zum Thema bzw. zur Situation der Szene ausgehen, um eine szenische Sprache zu erreichen, die die körperliche Aktion mitdenkt. • verdichtete Formulierung von gemeinsam entwickelten Szenen Wenn der Ablauf einer Szene spielerisch erarbeitet wurde, ist es wichtig, die Textqualität kritisch zu überprüfen und eine verbindliche Textvorlage zu erarbeiten, die sprachlich verdichtet ist. 8. Lösungsvorschläge zu dramaturgischen oder konzeptionellen Fragen Insbesondere wenn im Laufe der Projektarbeit konzeptionell unterschiedliche Möglichkeiten angespielt worden sind und dramaturgische Probleme auftreten, lohnt es sich, diese Fragen in einer schriftlichen Aufgabe anzugehen. 9. Reflexion von spielpraktischen Lösungen Es hat sich bewährt, dass die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Lösungen spielpraktischer Aufgaben schriftlich reflektieren. Die Vorgabe eines zur Spielaufgabe passenden Reflexionsrasters ist dafür hilfreich. 10. Führen eines persönlichen Probentagebuchs Die Schülerinnen und Schüler schreiben ein Tagebuch über die Probenarbeit. Darin notieren sie eigene Befindlichkeiten und Wahrnehmungen während der Proben, Ideen für das Projekt, wichtige Ergebnisse der Probenarbeit für die eigene Rolle und das Gesamtprojekt (als Klausur nicht geeignet). 11. Regieprotokoll Ein oder zwei Schülerinnen, Schüler haben die Aufgabe, ein Protokoll der gemeinsamen Regiearbeit am Stück zu notieren. Darin sind Entscheidungen über Gestaltungsmerkmale der Szenen verzeichnet, wie sie in der jeweiligen Probe gefällt wurden (als Klausur nicht geeignet). 12. Schriftliche Auseinandersetzung mit Theatertheorie Die Auseinandersetzung mit Theatertheorie ist besonders dann sinnvoll, wenn sie erkennbar etwas für die Gestaltung und das Verständnis des eigenen Projektes beitragen kann. 13. Referat Das Referieren von thematischen (wissenschaftlichen) Positionen, auf das Thema des Projekts gezielt bezogen, können das Projekt voranbringen. Im Darstellenden Spiel macht es schon aus Zeitgründen wenig Sinn, dass alle Schülerinnen, Schüler des Kurses Referate halten (als Klausur für alle nicht geeignet, wohl aber als Ersatzleistung). 14. Texte für das Programmheft Die sprachlich-analytische Kompetenz wird in der schriftlichen und mündlichen Auseinandersetzung mit Sachtexten erweitert. Diese Auseinandersetzung findet z. B. in einem Programmheft oder in Pressearbeit zur Aufführung ein lohnendes Ziel. Weiterhin kann es in Texten für das Programmheft um die Darstellung der Arbeitsweise im Kurs gehen und um die Zielsetzung, die sich der Kurs für das konkrete Projekt vorgenommen hat. 15. Text für das Jahrbuch Auch ein Text über die Theaterarbeit in diesem Kurs für das Jahrbuch der Schule ist eine lohnende schriftliche Aufgabe, die die Bedeutung von erwünschter Wirkung und Adressatenbezug bewusst macht (als Klausur nicht geeignet). 16. Werbetext zur Aufführung für Flyer, Internet u. a. Formulierung eines kurzen, werbenden Textes, als Klausur nicht geeignet 17. Schriftliche Auseinandersetzung mit der Konzeption Dies ist besonders in der Phase der Entwicklung eine für das Projekt hilfreiche Aufgabe. Sie kann aber auch nach Abschluss des Projektes offen gebliebene Fragen klären. 18. Schriftliche Auseinandersetzung mit der Rezeption Dies ist eine lohnende Aufgabe, nachdem die Schülerinnen und Schüler unterschiedliches Feedback von Besuchern der Aufführung erhalten haben. 19. Kritik von (anderen) Theateraufführungen Die kritische Auseinandersetzung mit anderen Theateraufführungen ist besonders dann fruchtbar, wenn ein Bezug zur eigenen Arbeit hergestellt wird. Eine solche Kritik kann die ästhetischen Kriterien erweitern und differenzieren. Wenn die Kritiken veröffentlicht werden sollen (Festivalzeitung, Schülerzeitung o.ä.), ist der Adressatenbezug zu berücksichtigen. Schriftliche Klausuren In jedem Fall muss eine der beiden vorgeschriebenen Klausuren pro Semester schriftlicher Art sein und sich auch auf einen Sachtext beziehen. Der Sachtext muss mit dem Theaterprojekt in einem -auch für die Schülerinnen und Schüler- nachvollziehbaren Zusammenhang stehen. Für schriftliche Klausuren eignen sich viele der oben aufgeführten Aufgaben. Bei allen schriftlichen Aufgaben und Arbeiten ist auf die Darlegung von konzisen Gedankengängen und auf sprachliche Korrektheit zu achten. In der Bewertung der Arbeiten sind diese Anforderungen angemessen zu berücksichtigen. Einige Beispiele für 2-Semester-Projekte: • Umsetzung einer dramatischen Vorlage: Michel de Ghelderode, "Die Ballade vom großen Makabren." Kunsttheorie: Das Groteske in Malerei und Dichtung. Theater des Absurden. Die Lust am Untergang: Aktuelle Attraktivität von Weltuntergangs-Vorhersagen (Russland, Japan u. a.). • Umsetzung einer dramatischen Vorlage: Peter Turrini, "Der tollste Tag". Vergleich mit Beaumarchais: "Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit" und Ponte/Mozart: "Figaros Hochzeit". Theorie der Komödie, Kunst im Spannungsfeld von Widerspruch und Affirmation. • Kaspar Hauser-Projekt. Ich-Werdung und Sprache, Sprachphilosophie. Materialien zur historischen Person. Freie Auseinandersetzung mit dem dramatischen Text: Peter Handke: Kaspar. • Kommunikation. Szenen von verschiedenen Autoren, die Beispiele für Kommunikationsstörungen bieten (z. B. Ionesco, Ronald D. Laing, Wolfgang Deichsel, Ingmar Bergman, Woody Allen), werden auch mit Beispielen für gelingende Kommunikation zu einem Ganzen verbunden. Theorie: Schultz von Thun, Watzlawick, Hayakawa u.a. • "Die beste aller Welten". Von Voltaires "Candide" ausgehen und sich mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Problemen und deren Gesundbeten befassen. "Sprachkosmetik", Strategien der Überredung. Es entsteht eine Eigenproduktion, die in einer szenischen Bilderfolge auch Möglichkeiten des Widerstehens zeigen. • "Turandot oder der Kongress der Weißwäscher" von Bertolt Brecht. Auseinandersetzung mit der Rolle des Intellektuellen. Kritischer Umgang mit Brechts ideologischer Lösung des dramatischen Konflikts. Bezug zur Gegenwart herstellen, dies als Ansatz nehmen für eine Bearbeitung. • "Die Verwandlung" von Franz Kafka. Videofilm aus der Perspektive des "Käfers" Gregor Samsa. Drehbuch. Anfertigung eines Filmheftes zur Vorführung des Videofilms.