Religion

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Weiterentwicklung des Religionsunterrichts für alle

Der Hamburger Weg eines Religionsunterrichts für alle (RUfa)

Im Unterschied zu den anderen Bundesländern, wo Religionsunterricht nach Konfessionen und Religionen getrennt erteilt wird, besuchen in Hamburg zumeist alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse gemeinsam den Religionsunterricht. Natürlich besteht auch in Hamburg die Möglichkeit, sich vom Religionsunterricht abzumelden. Diese Möglichkeit wird allerdings nur von einer kleinen Zahl von Schülerinnen und Schülern in Anspruch genommen.

RUfa 1.0

Lange Zeit wurde der Religionsunterricht, der auch in Hamburg gemäß Art. 7 Abs. 3 GG „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt wird, alleine von der evangelischen Kirche verantwortet. Als „Religionsunterricht für alle in evangelischer Verantwortung“ war er aber für alle Schülerinnen und Schüler offen und nahm ihre Fragen und Interessen auf ganz unabhängig davon, ob und ggf. welchen religiösen Hintergrund sie haben. Seit den 1990er Jahren achtete man verstärkt auf religiöse Vielfalt und bezog im Rahmen eines „Gesprächskreis interreligiöser Religionsunterricht“ (GIR) auch Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften in die curriculare Entwicklung ein. Dieses Modell wird mittlerweile als „RUfa 1.0“ bezeichnet und zeigt sich z. B. in den derzeit noch geltenden, aber bald auslaufenden Rahmenplänen von 2011.

Weiterentwicklung des Religionsunterrichts zum RUfa 2.0

Seit 2012 wurde dieses Modell so weiterentwickelt, dass der Hamburger Religionsunterricht für alle zukünftig nicht mehr nur von der evangelischen Kirche, sondern auch von weiteren Religionsgemeinschaften verantwortet werden kann, zugleich aber sein dialogischer Charakter und der gemeinsame Unterricht beibehalten wird. Ermöglicht wurde dies durch die 2012 geschlossenen Verträge der Stadt Hamburg mit den drei muslimischen Gemeinschaften (DITIB-Nord, SCHURA-Hamburg und VIKZ) sowie mit der Alevitischen Gemeinde: Mit den Verträgen wurden sie als Religionsgemeinschaften anerkannt und erhielten die Möglichkeit, Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen (mit)zuverantworten. Die jüdische Gemeinde stieß 2014 zu diesem Projekt hinzu. Das Erzbistum Hamburg hatte sich lange Zeit nicht am Religionsunterricht für alle und dessen Weiterentwicklung beteiligt. Seit 2019 wird jedoch in einem weiteren Entwicklungsprojekt geprüft, ob und wie sich die katholische Perspektive im Sinn einer konfessionellen Kooperation im Rahmen des RUfa 2.0 einbringen lässt und eine Mitverantwortung ermöglichen würde.

Die vereinbarte Weiterentwicklung umfasste alle Bereiche des Religionsunterrichts:

  • Institutionen: Neben der bislang alleine entscheidenden Gemischte Kommission („Gemko“) aus der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) und (evangelischer) Nordkirche wurden jeweils separate Kommissionen der Schulbehörde mit allen beteiligten Religionsgemeinschaften eingerichtet. Koordiniert werden sie von einer „Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Religionsunterrichts“, die inzwischen in „RUfa-Kommission“ umbenannt wurde. In einem „Fachteam“ werden weitere Religionen einbezogen, die den Religionsunterricht noch nicht mitverantworten bzw. nicht mitverantworten können, weil die dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
  • Lehrerbildung: An der Universität Hamburg wurden Studiengänge für Islamische und Alevitische Religion eingeführt; das Angebot wird nunmehr deutlich ausgebaut, für alle Schulformen angeboten und in einem neuen Fachbereich „Religionen“ zusammengeführt. Der Vorbereitungsdienst für das Fach Religion ist seit 2017 für muslimische, alevitische und jüdische Bewerber geöffnet. Am Landesinstitut werden Fortbildungen durch ein multireligiöses Team angeboten.
  • Schulpraxis: Ein multireligiös zusammengesetztes Lehrkräfteteam entwickelte exemplarische Unterrichtseinheiten und erprobte sie. Eine ausführliche Evaluation erfolgte durch das IfBQ.
  • Didaktik und Rahmenpläne: Auf den positiven Erfahrungen der Erprobung aufbauend wurden zentrale didaktische Prinzipien des RUfa (teilweise) neu gestaltet und entsprechend eine neue Rahmenplanstruktur entwickelt.

Ein gemeinsamer, von mehreren Religionsgemeinschaften gleichberechtigt verantworteter Religionsunterricht wirft im Rahmen von Art. 7 Abs. 3 GG verfassungsrechtliche Fragen auf. Ein von der Nordkirche beauftragtes Rechtsgutachten durch den Verfassungsrechtler Hinnerk Wißmann bescheinigt der neuen Konzeption, unter Beachtung bestimmter Anforderungen als bewusste Weiterentwicklung des Religionsverfassungsrechts, verfassungsgemäß sein zu können.

Im November 2019 bestätigten Senator Rabe und die Spitzen der beteiligten Religionsgemeinschaften die erfolgreiche Weiterentwicklung und verkündeten die sukzessive Implementierung des RUfa 2.0-Konzepts an allen öffentlichen Schulen Hamburgs. Was sind die nächsten Schritte?

Implementierung von RUfa 2.0

Die neuen Rahmenpläne mit der weiterentwickelten Didaktik des RUfa 2.0 werden in den kommenden Jahren in allen Schulformen und Schulstufen eingeführt. Begleitet und unterstützt wird dies unter anderem durch neu eingerichtete Landesfachkonferenzen und einem breiten Angebot an Fortbildungen und Materialien.

Literatur

Bauer, Jochen: Religionsunterricht für alle. Eine multitheologische Fachdidaktik. Stuttgart: Kohlhammer 2019.
Bauer, Jochen: Der erneuerte Hamburger Religionsunterricht und die katholische Perspektive, in: Engagement 37(2019)4, S.171-179.
Bauer, Jochen: Religion unterrichten in Hamburg, in: Martin Rothgangel/Bernd Schröder: Religionsunterricht in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, Leipzig 2020, S. 153-178.
Wißmann, Hinnerk: Religionsunterricht für alle? Tübingen: Mohr Siebeck 2019.
Wolff, Jutta. Evaluation des Religionsunterrichts für alle. https://www.hamburg.de/bsb/ifbq-evaluation-religionsunterricht-fuer-alle/ (2018)