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3 | Schriftkultur etablieren

Fragebögen und Rätsel

Rechtschreiblernen ist dann nachhaltig, wenn richtiges Schreiben im (schulischen) Alltag gebraucht wird und sich bewährt. Es gilt deshalb, Unterrichtskontexte zu gestalten, die das Gelernte und Geübte in schriftkulturelle Praktiken einbinden.

Fragebögen und Rätsel verbinden schriftkulturelle Praktiken mit Richtigschreiben. Die Beantwortung von Fragebögen und Rätseln erfordert, dass Kinder etwas lesen (können) und das Gelesene auch genau verstehen. Weil die Lösungswörter im (ergänzten) Bild-Wörterbuch stehen, können sie sie daraus abschreiben und so rechtschriftliche Könnenserfahrungen machen. Drei soziale Kontexte für den Gebrauch des Bild-Wörterbuchs als Teil der Schriftkultur in der Klasse
werden im Folgenden dargestellt.
 

Unterrichtsbeispiel: Mit dem Wörterbuch zum Hörspiel schreiben können

Hörspiel
© BELTZ & Gelberg Verlag

Im Herbst der 2. Klasse hört Kirsten Tittel mit den Kindern im Stuhlkreis die Hörspiel-CD „Die Geschichte vom Löwen, der nicht schreiben konnte“ (Martin Baltscheit) – mit zahlreichen Gesprächseinlagen. Sie sprechen über das Problem des Löwen, der keinen Brief an die Löwin schreiben kann, und wie er es lösen könnte. Sie lachen über die vom Löwen abgelehnten Briefe der anderen Tiere und tragen ihr Sachwissen zusammen: warum der Löwe entsetzt über diese Briefe ist und was er wohl mit der Löwin tun und essen wollen würde. Nach zahlreichen, für den Löwen nicht passenden Briefen ist sein entsetzliches Gebrüll Anlass dafür, dass jedes Kind für ihn einen (passenden) Brief an die Löwin gestaltet und schreibt – so gut wie das Kind schreiben kann oder als diktierendes Schreiben mit der Lehrerin als Skriptorin.

Geschichten an der Tafel
© Hüttis-Graff


In dieser Schreibzeit, in der Frühstückspause und in der späteren Werkstattarbeit läuft im Hintergrund die Hör-CD, sodass die Kinder der sprachschwachen Klasse die Geschichte immer besser verstehen, die Briefe mit der stets gleichen Struktur und den unpassenden Inhalten immer wieder hören und sich an den Liedern erfreuen, die die Hörgeschichte ergänzen.

© Hüttis-Graff

Nach dem gemeinsamen Hören erhält jedes Kind Material für ein Bild-Wörterbuch mit 12 wichtigen Nomen aus dem Buch, das sie zunächst selbst herstellen (ausschneiden, anmalen und heften) und dann bei der Bearbeitung der Aufgaben zum Lesen und Schreiben nutzen.
Nach Abschluss der Werkstattarbeit klebt jedes Kind seine Arbeitsprodukte auf ein Leporello: Vorne die Lese-Mal-Aufgaben von Szenen aus dem Bilderbuch, auf die Rückseite die Schreibaufgaben mit dem Wörterbuch. Durch diese schriftliche Präsentation ihrer Arbeiten können Kinder das Schreiben und Lesen für sich als funktional und sinnvoll erfahren und zugleich die Erfahrung machen, dass andere das von ihnen richtig (Ab-)Geschriebene gut lesen können.

Buch 1
© Hüttis-Graff
Buch 2
© Hüttis-Graff

Gelingensbedingungen dieses Unterrichts in einer sprachschwachen Klasse sind die verständnissichernden Gespräche und wiederholten Hörerfahrungen sowie der vielfältige Gebrauch wichtiger Wörter aus der Geschichte bei diversen Lese- und Schreibaktivitäten, für die das Wörterbuch Sicherheit beim Rechtschreiben gibt.

Es lohnt sich, zur intensiven Beschäftigung mit gehörten bzw. vorgelesenen Bilderbuch-Geschichten vergleichbare Begleit- und Anschlussaufgaben zum Lesen, Schreiben, Spielen und Malen in der 1. oder 2. Klasse anzubieten und dazu zentrale Wörter aus der Geschichte in das Hamburger Bild-Wörterbuch zu übernehmen. Die folgenden Aufgabenformate aus der Werkstattarbeit zur Geschichte vom Löwen, der nicht schreiben konnte, lassen sich leicht auf andere Geschichten übertragen und wie hier mit dem Bild-Wörterbuch verbinden:

© Hüttis-Graff
© Hüttis-Graff

Die Sachrätsel zur Geschichte vom Löwen (s. Download 3.4) üben das Lesen von Texten, deren Inhalte die Kinder aus dem bisherigen Unterricht kennen, und gebrauchen den (ergänzten) Bild-Wortschatz: Die Lösung wird aus dem Bild-Wörterbuch auf die Rätselkarte abgeschrieben.

Das Tafeldiktat (s. Baustein 4) wird von der Lehrperson mit wichtigen Wörtern aus dem Bilderbuch und ansprechenden Fotos hergestellt. Als Teil der Werkstattarbeit schreibt jedes Kind mindestens 3 Wörter an der Tafel, unterstützt von einem Kind, das ihm mit der Karte das Wort aufgibt und die Lösung auf der Kartenrückseite sieht, sodass es helfen kann.

Gitterrätsel (s. Download 3.5): Aufgabe ist, im Buchstabengitter eine bestimmte Anzahl Wörter aus der Geschichte zu suchen und genau zu umranden. Dabei lernen Kinder, im Gitter entweder a) 6 Wörter ohne Hilfe oder b) 10 unten auf dem Blatt in Gemischtantiqua angegebenen Wörter aus der Geschichte im Gitter in Großbuchstaben wiederzufinden, senkrecht oder waagerecht.

Tafeldiktat
© Hüttis-Graff

Das Finden erfordert bei a) Lesen und bei b) eine systematische Suche nach den angegebenen Buchstaben(folgen). Beim Umranden sind Anfang und Ende des Wortes genau zu bestimmen. Im angebotenen Download 3.5 sind statt der gesuchten Wörter deren Abbildungen vorgegeben, um den Kindern weitere Lösungsstrategien, wie z. B. das Nachschlagen im Bild-Wörterbuch, zu ermöglichen (s. Baustein 4).

Silbenpuzzle
© Hüttis-Graff

Das Silbenpuzzle (s. Download 3.6) erfordert das Erlesen der ersten Silbe, die Bildung von Hypothesen für das ganze Wort – auf der Grundlage der gehörten Geschichte vom Löwen – und das Finden der zweiten oder auch dritten Silbe. Beim Abschreiben der Wörter werden die Kinder angeregt, nicht buchstabenweise, sondern silbenweise vorzugehen und können so ihre Merkspanne erweitern.


Fragebögen ausfüllen

Sobald Kinder ein wenig lesen können, sind Fragebögen für Kinder attraktiv, weil sie das Ausfüllen von Formularen möglicherweise im Alltag beobachtet haben und sie diese Fragebögen mit Hilfe des Wörterbuchs leicht beantworten können (s. Download 3.1). Sie sind so gestaltet, dass die Fragen Kinder inhaltlich ansprechen und unterschiedliche Antworten ermöglichen, die einen Austausch zwischen den Kindern nahelegen. Die Fragen regen sie an, im Wörterbuch zu blättern und neu über die Wörter nachzudenken. Beim Schreiben ihrer Antworten sind die Kinder inhaltlich und rechtschriftlich sicher. Zudem machen Kinder die Erfahrung, dass sie die kurzen Fragen auf einer Seite aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeit zunehmend leichter lesen können (Könnenserfahrung).

Unterricht: Fragebögen können in der Wochenplan-Arbeit oder auch als Zusatzaufgabe für die Einzelarbeit angeboten werden.

© Hüttis-Graff

Es ist für Kinder interessant, die bearbeiteten Fragebögen am Gruppentisch zu tauschen, um zu erfahren, wie andere die Fragen beantwortet haben. Dabei wird das Lesen geübt – Kinder merken, dass richtig Geschriebenes leichter zu lesen ist – und die eigenen Antworten werden überprüft.

© Hüttis-Graff

Differenzierung: Für Kinder, die die Wörter aus dem Wörterbuch schon weitgehend selbstständig richtig schreiben oder sich erschreiben können, sind die anspruchsvolleren Bögen von Download 3.2 mit denselben Fragen ein willkommener Ansporn, dieses Können zu erproben. Es gilt die Rechtschreibung des selbstständig Geschriebenen anhand des Wörterbuches zu kontrollieren, indem das Wort anschließend aus dem Wörterbuch abgeschrieben und mit der eigenen Schreibung buchstabengenau verglichen wird. Indem das Kind das Gelungene in der Norm durch Unterpunkten bestätigt, wird sein eigenständiges Nachdenken über unsere Rechtschreibung angeregt.
 

Rätsel muss man raten

Rätsel üben nicht nur auf Kinder einen starken Reiz aus, die meist versteckte Lösung zu finden. Manchen Rätseln sieht man nicht an, ob es sich um ein Sachrätsel (wie von der Lehrperson geschriebene Rätsel zum Bilderbuch vom Löwen, s.o.) handelt, bei dem es um Sachwissen geht, oder ob es ein literarisches Rätsel ist, bei dem man umdenken und Abstand von der naheliegenden Bedeutung nehmen muss. Denn das literarische Rätsel spielt mit Metaphern, mit dem Doppelsinn der Worte und ist geheimnisvoll, bewegt sich dabei jedoch in der vertrauten Erfahrungswelt der Kinder.

Die 40 angebotenen Rätsel zum Bild-Wörterbuch stehen auf Karten (s. Download 3.3). Es gibt Fragen, Beschreibungen, Reime oder die Lösung provozierende Reime. Die auf die (ggf. laminierte) Karte zu schreibende Lösung besteht stets in einem Wort aus dem Wörterbuch (Lösungen s. Download 3.4), sie kann also rechtschriftlich sicher daraus abgeschrieben werden.

Die Rätselkarten können für Einzelarbeit eingesetzt werden – das Kind schreibt die Lösung einfach auf die Karte. Ihr schriftkulturelles Potenzial entfalten Rätsel aber weit besser, wenn Kinder sich gegenseitig Rätsel stellen, in Partnerarbeit oder in Rätselrunden der ganzen Klasse.

Anforderungen und Lernmöglichkeiten: Rätsel sind eine literarische Kleinform, für die erste Klasse wurden vor allem kurze Rätsel gewählt. Dennoch sind sie länger und abwechslungsreicher als die Fragen auf den Fragebögen und stellen deshalb höhere Anforderungen an die Lesekompetenz. Viele Rätsel sind zudem nicht leicht zu lösen – ganz im Unterschied zu den Fragenbögen – , sodass man über manches Rätsel stundenlang nachdenken muss. Um wirklich jedes Detail beim Raten zu berücksichtigen, müssen Rätsel deshalb meist mehrmals gelesen werden. Dabei wird nicht nur das Lesen als Kulturtechnik geübt, zudem wird das Denken angeregt und implizit gerät auch die Machart der Rätsel in den Blick, da sie den Prozess des Ratens steuert.

Im Unterricht empfiehlt sich eine Vorbereitung, indem die Lehrperson zunächst regelmäßig Rätsel vorliest und zum Raten aufgibt, damit jedes Kind Erfahrungen mit verschiedenen Rätselformen und mit dem Rätselraten macht – und natürlich Spaß in der Rätselrunde hat oder entwickelt. Nach solchen Erfahrungen im sozialen Kontext wollen die Kinder auch selbst Rätsel aufgeben, weil die Rolle des Wissenden und Drannehmenden für sie sehr attraktiv ist. Dies ist der Zeitpunkt, der Klasse die ausgedruckten Rätsel zum Bild-Wörterbuch zur Verfügung zu stellen.

Üben gibt Sicherheit: Weil die Lösung der angebotenen Rätsel stets ein Nomen aus dem Bild-Wörterbuch ist, können Kinder das Lösungswort daraus leicht auf die Rätselkarte abschreiben und die Lösung sicher bis zur nächsten Rätselrunde behalten. Bevor ein Kind ein Rätsel in der großen Rätselrunde vorliest, wird das Rätsel mit einem Partner geprobt, um die eigene Lösung zu überprüfen – und dabei wird erneut das Vorlesen geübt. Diese Vorbereitung des Rätsellesens und Ratens in der Klasse ist wichtig, damit das Zuhören in der Rätselrunde nicht zu anstrengend und das Raten überhaupt möglich wird.

Rätsel schreiben: Nicht selten beginnen einige Kinder nach diesen spannenden Erfahrungen mit der Teilhabe an Schriftkultur, sich selbst Rätsel auszudenken und sie für die Rätselrunde in der Klasse aufzuschreiben. Angesichts ihrer vielfältigen Erfahrungen mit Rätseln und dem Raten können die Kinder dabei sprachlich und strukturell aus dem Vollen schöpfen (und nicht nur eine schematische Anleitung befolgen). In der Rätselrunde zeigt sich oder kann besprochen werden, was sehr leicht zu raten und was zu schwer ist, also wie Rätsel gestaltet werden können. Und vielleicht entstehen daraus ein Rätselbuch für die Klasse oder Freunde, Rätselplakate für die Schule oder ein Rätseltag für die Eltern oder eine Parallelklasse.